Ich leite das Ensemble historischer Tanz an der Universität der Künste in Berlin (UdK) seit mehreren Jahrzehnten. Vor mir hat der deutsche Tanzhistoriker und Musikpädagoge Karl Heinz Taubert (* 16. Dezember 1912 in Stettin; † 3. Januar 1990 in Berlin) dieses Ensemble ins Leben gerufen, welches er bis zu seinem Tod leitete und mit dem er seine tanzhistorischen Studien auch für die Aufführungspraxis aufbereitete.
Ich führe das Ensemble in seinem Gedenken fort, halte seine Arbeit lebendig und ergänze diese, durch eigene Studien. Wichtig ist es mir, den historischen Tanz bis in die heutige Zeit hinein zu erhalten. Alte Tanzschriften möchte ich wieder beleben und sie dem heutigen Publikum darbieten.
Mein lieb gewonnenes Ensemble ist eine lebhafte Mischung aus Tänzerinnen und Tänzern die mich teilweise schon begleiten, seit ich das Ensemble von Karl Heinz Taubert übernommen habe. Uns alle verbindet die Freude an der Musik und dem historischen Tanz sodass wir uns einmal wöchentlich zu den Ensembleproben in der UdK treffen. Darüber hinaus haben viele Ensemblemitglieder freundschaftliche Bande geknüpft und wir besuchen oft gemeinsam weitere Workshops, Tanzbälle, gehen zusammen in die Oper oder besuchen interessante Musikveranstaltungen. So erlebte Tanzgeschichte greifen wir dann gelegentlich auf, und lassen sie in unsere tänzerische Arbeit einfließen. Junge Tänzerinnen und Tänzer werden von allen herzlich aufgenommen und unterstützt, um so ganz natürlich und stressfrei den kommenden Auftritten gewachsen zu sein.
Besondere Freude bereitet es uns nämlich, wenn wir gemeinsame Auftritte bestreiten und uns in den vorausgehenden Proben intensiv darauf vorbereiten können. Sehr gerne begleiten wir tänzerisch verschiedene Musikensembles bei ihren Konzerten. Wir geben der gespielten Musik eine weitere Dimension, machen sie sichtbar. In Theaterproduktionen besetzen wir mit großer Freude historische Tanzszenen und ergänzen das dortige Schauspielensemble auch als Statisten in verschiedenen Szenen. Es ist für uns immer wieder ein Erlebnis, auf den Brettern die die Welt bedeuten, welche teilweise schon genauso alt sind wie die überlieferten Tanzschriften und Musikstücke, eben diese Tänze wieder aufzuführen.
Was ist historischer Tanz?
Allgemein stellt “historischer Tanz” den Versuch dar, die Art und Weise zu rekonstruieren, wie man früher getanzt hat. Dabei kann sich “früher” auf Zeiten beziehen, die noch gar nicht so lange her sind, wie zum Beispiel die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (man denke nur an Charleston oder Tango Argentino), oder auf Zeiten, die länger her sind, wie zum Beispiel das Mittelalter. Für beide Fälle gibt es natürlich Grenzen. Die eine ist eine subjektive Grenze, weil irgendwann das Gefühl aufhört, dass etwas “historisch” ist (ist “Jive” historisch, ist immerhin rund 50 Jahre alt?). Die andere Grenze ergibt sich dadurch, dass uns bei unserer Reise in die Vergangenheit ab einer bestimmten Epoche die Quellen ausgehen, aus denen man noch vernünftig Tänze rekonstruieren könnte. So sind uns zum Beispiel schon aus dem Mittelalter (vor dem 15. Jahrhundert) keine verwendbaren Quellen mehr bekannt.
So haben wir es beim “historischen Tanz” hauptsächlich mit Tänzen aus der Zeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert zu tun.
Unser Repertoire
Ich erarbeite mit dem Ensemble eine Vielzahl von Tänzen aus 450 Jahren Tanzgeschichte. Angefangen bei den höfischen und Bauerntänzen der Renaissance-Zeit (ab dem 15. Jhdt) zu den Tänzen des Barock und Rokoko, der Empire- und Biedermeierzeit bis hin zu den Gesellschaftstänzen des späten 19. Jahrhunderts tanzen wir uns durch die Zeiten.
Gerne stelle ich die verschiedensten Tänze jeweils als barockes Tanztheater vor, sei es als eine fürstliche Hochzeit inszeniert oder ein Picknick im Grünen, ein Ball zu Ehren verschiedener ausländischer Diplomaten oder eine private Festivität mit geladenen Schauspielern und Commedia del Arte-Akteuren. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, doch ich achte immer darauf, den Wesen der dargestellten Epoche, die während des Auftritts dem Publikum nahe gebracht werden soll, mit dem heutigen Zeitgeist in Einklang zu bringen, sodass auch das heutige Publikum geneigt ist, sich auf diese Zeitreise in die Vergangenheit zu begeben.
Die Einbindung des Publikums zu einem gemeinsamen Tanz unter Anleitung bringt auch jedes Mal sehr viel Freude für alle Beteiligten.
Getanzt wird in Kostümen die denen aus der jeweiligen Epoche nachempfunden sind mit Frisuren und Aufmachung der jeweiligen Zeit.
Wie rekonstruiere ich die Tänze?
Ich verwende zeitgenössische Quellen. Erste geeignete Manuskripte sind aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Im Lauf der Zeit haben es die Menschen immer wieder für wichtig erachtet, die Tänze ihrer Epoche aufzuschreiben, weshalb diese für die Nachwelt erhalten geblieben sind.
Diese Werke sind manchmal recht leicht zugänglich, Bewegungen und Raumwege werden anschaulich beschrieben. Es gibt jedoch auch Tanzschriften, die sich einer Rekonstruktion hartnäckig verweigern. Außerdem sind auch die Vorgehensweisen bei der Beschreibung der Tänze höchst unterschiedlich.
Eine Möglichkeit besteht darin, mit Worten die Schritte, Aktionen, Gesten usw. auszudrücken, die man für einen bestimmten Tanz ausführen muss. Zusammen mit der entsprechenden Musik eine kann sich hieraus eine verständliche Beschreibung des Tanzes ergeben. In diesem Fall ist dann eine Rekonstruktion des Tanzes möglich.
So sind zum Beispiel in italienischen Tanzbüchern des 16. Jahrhunderts an einer Stelle die auszuführenden Schritte mit Schrittbezeichnungen definiert. In der Beschreibung der Tänze werden diese Bezeichnungen dann verwendet.
Eine andere Möglichkeit ist die Entwicklung einer Tanzschrift. Wieder werden die Schritte an einer anderen Stelle definiert, dann wird jedoch den Schritten ein Symbol zugeordnet. Die Beschreibung des eigentlichen Tanzes besteht dann aus einer Folge von Bildtafeln mit darauf abgebildeten Symbolen, aus denen dann der Tanz zu lesen ist.
Es gibt nur wenige Bücher, die einem Laien detailliert beschreiben, wie ein Tanzstil ausgesehen hat und wie die entsprechenden Quellen zu lesen sind. Ein Beispiel hierfür ist Wendy Hiltons Buch “Dance and Music of Court and Theater” über Tanz im 18. Jahrhundert. Hilton beschreibt detailliert nicht nur, was es für Tänze gibt, sondern auch wie sie notiert sind und wie sie zu üben und schließlich auszuführen sind.
Meistens ist man aber darauf angewiesen, selbst die Quellen zu studieren. Außerdem hat sich für die gebräuchlichen Tanzepochen in den meisten Fällen ein bestimmter Stil entwickelt, der von den einschlägigen Lehrern gepflegt wird. Dieser Stil wird jedoch auch ständig weiter entwickelt und unterliegt fortlaufenden Veränderungen. Ein von Prof. Taubert in den 70er Jahren gelehrtes Menuett unterscheidet sich in fast allen Aspekten von einem Menuett, wie es heute z.B. von Deda Christina Colonna oder von Lieven Baert gelehrt und aufgeführt wird.
Neugierig geworden?
Sind Sie neugierig geworden, wollen ebenfalls dazu gehören, angesteckt von unserer Freude am Tanz oder möchten sich tänzerisch weiter entwickeln?
Oder können Sie es sich vorstellen, dass wir auf Ihrer Veranstaltung tanzen, vergangene Zeiten erlebbar werden lassen und evtl auch Ihr Publikum zum Tanz auffordern?
Dann nehmen Sie doch zu mir Kontakt auf und wir vereinbaren eine Gelegenheit zum Kennenlernen, sei es bei einem leckeren Kuchen oder gleich im Probenraum.
Ich freue mich auf Sie!
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Alles Fotos auf dieser Seite zeigen die Potsdamer Schlössernacht 2015 und wurden aufgenommen von Anne (www.diemitderkamera.de).